"Wieder zwei neue Menschen in der GG-Sammlung"
Geschrieben am 22.05.2016 2016-05-22 | Aktualisiert am 22.05.2016

"Zu Gast im Hotel von Hannover 96 - es gehört dem Präsidenten"
Geschrieben am 23.01.2016 2016-01-23 | Aktualisiert am 23.01.2016

"Grieche in zentraler Lage mit Speisen in ordentlicher Qualität"
Geschrieben am 24.06.2015 2015-06-24

"Netter Ausflug auf's Land - doch die Sterne sind fern."
Geschrieben am 03.06.2015 2015-06-03 | Aktualisiert am 15.06.2015

"Teamwechsel bei Ole Deele in Burgwedel"
Geschrieben am 24.05.2015 2015-05-24

Solche Gelegenheiten dürfen nicht ungenutzt verstreichen. Beschnuppern ist angesagt.
Von allem, was ich bisher von Petra gelesen hatte, hatte ich den Eindruck, dass sie ein echter Sympath ist. Der Ehemann würde schon dazu passen. Dies hat sich vollständig bewahrheitet.
Wir hatten uns für 19:00 Uhr in der Kokenstube verabredet. Ich hatte Alkoholverzicht (bis auf den obligatorischen Champagner) beschlossen, chauffierte also meine Frau in meinem Kleinwagen in lächerlichen 20 Minuten zum Ziel. Der Gedanke, wir seien zu früh, verflog im Nu, weil wir bereits an der Rezeption angesprochen wurden, indem man uns mitteilte, dass Petra und Mann uns erwarteten. Wahrscheinlich sah man uns den Hunger an. Hungerhaken sind wir aber beide nicht.
Die beiden saßen an der Bar und schlürften etwas Hugoartiges, wenn ich das aus dem Augenwinkel richtig wahrgenommen habe. Eine Flasche Wasser (wie im Lucky 7.-) war auch schon im Anbruch. Die allerdings war kein profanes, sondern L'eau Sans Sousi premium Water in klaren Bordeaux-Flaschen, aber ohne Kühler. Es herrschte keine Unzufriedenheit über den Kostenfaktor Wasser (dreimal). Petra tat kund, sie sei Vieltrinkerin, und mit geschultem ärztlichen Blick entging mir nicht, dass es bei ihr ein wenig länger dauert als bei der deutschen Durchschnittsfrau, bis es in den Füßen angekommen ist.
Eine ausnehmend freundliche und sehr aufmerksame weibliche Servicemitarbeiterin , um die 49, geleitete uns an den wunderbar separaten Tisch in einer Raumecke (man konnte hier sehr hemmungslos sein). Ganz zum Schluss habe ich das dann auch ausgekostet, indem ich meine volle Espressotasse über den Tisch gegossen habe (die untere Ecke von Handy war beim verzweifelten und erfolglosen Scharfstellungsversuch hängen geblieben). Wer es auf dem Foto nicht erkennt: die Crema war perfekt.
Der Tisch war sehr schön eingedeckt mit allem, was dazu gehört. Die cremefarbenen Servietten waren gut glatt gemangelt und zeigten - wie sich am Schluss zeigte - hervorragende Resistenz gegenüber herab tröpfelndem Espresso. So ein echter Praxistest ist unschlagbar. Die gepolsterten Stühle haben Armlehnen. Sie waren bis zum Schluss bequem.
Wir eröffneten mit vier Gläsern Champagner Duval weiß zu je 12,50, gut gekühlt in netten Gläsern.
Da wir die ganze Zeit geschnabbelt haben, zog sich die Speisenauswahl ein wenig hin. Unsere nette Servicedame war aber recht nachsichtig mit uns.
Nachdem wir endlich fertig waren, kam die Weinkarte (ein dickes Buch), die wie die Speisekarte in helles Leinen gebunden war. Ich als Nichtmittrinker stolperte über den Geheimrat J Spätlese für hochanständige 39 Euro, wurde aber von der Servicedame gewarnt, er sei nicht richtig trocken. Also glitt der Finger zu den Naheweinen, für die ja zwei Spezialisten mir gegenüber saßen. Die Servicekraft riet uns zum billigsten zu 27,50 (Tesch unplugged). Petras Mann kannte das Weingut nicht, stellte aber nach Blick auf die Flasche fest, dass es bezüglich ihres Wohnhauses "um die Ecke" liegt. Ich hielt mich an einem weißen Trauben secco fest, der äußerst großzügig eingeschenkt 6,50 je Glas 0,1 kostete. Ich finde es beachtlich, dass dieser Prisecco ziemlich exakt denselben Preis hat wie der Geheimrat J in der Weinkarte und unseren Tischwein locker toppt. Dass der Wein stilvoll geöffnet und verkostet wurde, versteht sich von selbst. Nach dem Einschenken ruhte er in einem Eiseimer.
Umgehend standen Brot in zwei Ausführungen (acht Scheibchen), Öl, Fleur de Sel und Kräutercreme auf dem Tisch, an dem wir uns labten.
Während wir noch die zweite Scheibe auf dem Tellerchen hatten, kam das Amuse gueule angerückt, dass uns ausführlichst annonciert wurde - ein Paprikasüppchen in einer Tasse, ein Stück Lachs-Sashimi, milder Wasabi-Schaum und eine Bulgurspindel mit Gemüsestückchen.
Das war eine feine Einstimmung. Das Paprikasüppchen hat allen außer meiner Frau wohl am besten geschmeckt. Es war extrem harmonisch gewürzt.
Mein Vorspeiseteller hatte ein in Spitzkohlblätter eingeschlagenes kubisches Törtchen mit sehr feinem Ratatouille darin, Spargelsalat, Entenstücke, Carpaccio mit vielen gerösteten Pinienkernen und Löwenzahnblättern und Roastbeef (13,50 Euro).
Die beiden Idar-Obersteiner gaben sich puristisch und nahmen Spargelsalat, bzw. Carpaccio pur und waren höchst angetan. Ich kann von meinen Miniportionen auch nur sagen, dass der Spargel genau richtig war und eine tolle Vinaigrette hatte und das Carpaccio hoch aromatisch und herzhaft war. Meine Frau hatte ein Vitello tonnato zu 12,50, das zwar schulgemäß das Fleisch AUF der Soße hatte, aber leider war das Kalb sehr geschmacksarm. Es hätten auch Schweinerückenscheiben sein können. Auch die Vorspeisen wurden beim Servieren perfekt erläutert.
Um die Wartezeit gefühlsmäßig zu verkürzen, bekamen wir ein Waldfrüchte-Sorbet, das mit Champagner liebevoll von unserer Top-Servicekraft mit den Sommelier-Qualitäten aufgegossen wurde.
Ich schmeckte Cassis und Brombeere. Das war fein, erfrischend und nicht magenfüllend. Der Pacojet findet wohl weite Verbreitung. Das Sorbet tauchte nicht auf der Rechnung auf.
Als Hauptgericht bekam meine Frau Wiener Schnitzel
(vorbildlich gewellt) mit separaten wunderschönen Bratkartoffeln
und ein wenig Saisongemüse 22,50, ich Kalbsbratenscheiben, schön rosa mit Schupfnudeln und Pfifferlingen (25,50).
Die frischen Pilze waren ein knirschfreier Traum. Meine Fleischscheiben hatten ein schönes Aroma.
Störend war die Basisschicht auf den Tellern, ein paprikahaltiges Püree, das hier wohl auf die Teller gestrichen wird, bevor der Rest dekoriert wird. Paprikanoten lösen bei meiner Frau Abscheu aus. Der Wein schmeckte den anwesenden Trinkern gut. Für ein Dessert hatte niemand mehr Platz außer mir. Ich wollte aber nicht aus der Reihe tanzen. Das Erfragen der Zufriedenheit nach jedem leeren Teller ist ja eigentlich selbstverständlich, die sinnreichen Ankündigungen sind es eher nicht.
Drei Espressi bildeten den Abschluss.
Sie hatten eine schöne Crema, und der Rest, den ich von meiner Untertasse wieder in meine Tasse tropfen ließ, schmeckte mir gut. Gesüßt hatte ich natürlich vor meinem Malheur.
Die beiden Südländer sind zum Glück unkompliziert wie wir, so dass wir einfach Halbe-Halbe machen konnten. Petra zaubert gleich drei Fünfziger aus Ihrer Tasche und schob sie mir zu. Bei 278 Euro Gesamtrechnung legte ich 30 Euro verdientes Trinkgeld dazu.
Insgesamt war der Service einfach top. Entscheidend dafür ist auch der besonders angelegte Servicebereich für den kleinen Bedarf, direkt neben dem Gastraum. Dort halten sich fast immer ein bis zwei Servicekräfte auf, die das Restaurant hervorragend überblicken können. Diese Lösung ist gut und ähnelt der im Mary's. Der Kleiderschrank befindet sich direkt gegenüber, so dass immer jemand da ist, um die Kleidungsstücke heraus zu geben und bei Bedarf hinein zu helfen.
Der Abschied um 21:45 Uhr war herzlich, wie man sich das wünscht. Unsere beiden neuen Kritikerkumpels winkten uns noch kräftig hinterher, was bei der beachtlichen Größe von Petra weithin sichtbar ist.
Das Hotel ist barrierefrei. Behindertenparkpätze sind vorhanden.
Nach Küchenreise die 5 = unbedingt wieder